Wer hat den Grösseren? Teil 2

Haben wir uns aus dem Machtspiel nicht schon längst befreit? Wir sind doch eine fortschrittliche Gesellschaft

Heute können wir frank und frei unseren Partner selbst auswählen, oder? Looser, Arme Schlucker. Oder umgekehrt, selbstbewusste Frauen mit einer Vorgeschichte. Sind keine Programme mehr da, die uns beeinflussen? Ich bin mir da nicht so sicher.

Bei mir ist sicher das fehlende Vertrauen ein Kriterium, warum ich mir immer «Helden», aber «Versorgungs-Looser» aussuche. Solange ich selbst mein Versorger bin, bleibe ich unabhängig.

Interessanterweise ist mir heute der Gedanke sympathisch, auch bei einem Versorger zu bleiben, denn ich gehe langsam auf die 60 zu und weiss natürlich nicht, wie ich später noch arbeiten kann. Meine Selbstversorgung im Alter ist nicht sicher. Rente ist nicht sicher. Aber das alte Versorger-Modell «Mann, Frau, Familie» ist es auch nicht mehr. Nun denn, sicher bin ich nicht, ob ich wirklich von einem «Versorger» abhängig sein könnte. Oder, ob mich ein Versorger überhaupt nehmen würde? Ich habe sicherlich keine Jungfräulichkeit mehr in die Waagschale zu werfen. Und auch keine Kinder mehr.

Ich fand es herzergreifend, umwerfend, dass mich in Marokko dieser wunderschöne Mann auserwählte. Er war der Typ «Held», versuchte aber auch das Bild des potentiellen Versorgers aufrechtzuerhalten. Mit Geschichten seiner Herkunft. Seines zukünftigen Erbes. Seiner Erfolge in der Vergangenheit. Damit verbarg er seine vielleicht unbewusste Absicht: Mich als Versorger zu nutzen. Eingestehen durfte er es natürlich nicht. Denn gerade in der arabischen Welt müssen Männer sich eine Frau auch heute noch erst verdienen. Mit der Wahl einer älteren, in seinen Augen vermögenden Europäerin ist er aus dem gesellschaftlichen Druck des Versorgers heraus. Aber nicht aus seinen genetischen Programmierungen. Schutz und Verteidigung der Frau und Familie sind und waren in der arabischen Welt weit mehr ausgeprägt, als in der Westlichen. Weil arabische Männer gefährlicher sind? Grenzüberschreitender?
Das was mir den «Hero» anziehend macht ist einerseits, dass er mir das Gefühl gibt, ich könne wirklich eine Frau sein. Andererseit stösst mich aber genau das auch wieder ab. Denn die Verteidigung der Frau gegenüber der «Aussenwelt» wäre nur dann berechtigt, wenn es um wirkliche Sicherheit ginge, also auch darum, dass die «Innenwelt» garantiert wäre. Also die Versorgung der Familie. Das ureigene Bedürfnis der Frau in einer Partnerschaft ist also nicht nur die Sicherheit nach Aussen (bei wirklichen Gefahren), sondern auch die Garantie der zukünftigen Versorgung. Genau dann könnte ich Frau sein. Dann könnte ich mich womöglich auch mit der dortigen Frauenrolle identifizieren. Dann wären die Machtdemonstrationen mir gegenüber unnötig. Ich wäre nicht für meine Versorgung verantwortlich und müsste nicht unabhängig sein. Aber ich komme aus dem Westen. Schutz und Versorgung wird in unserer Welt von der Gesellschaft weitestgehend übernommen. Und nur deshalb können wir Frauen heute so wählerisch sein. Und sicher, dass ein Frosch ruhig Frosch bleiben darf. Prinzen mit Machtanspruch sind Out. Es sei denn…. hhh

Wir Frauen heutzutage haben die Erwartung an einen Versorger abgelegt. Ich habe mir die Freiheit gelassen, spannende, erotische, wilde und leidenschaftliche Beziehungen zu leben – mit der Ansicht, ich bräuchte keinen Versorger. Doch ein kleiner Teil in mir ersehnt sich auch das. Jemand, der für mich kämpft, bei mir bleiben will und mich ver-«sorgt» – also dauerhaft Sorge trägt. Mir diese Sicherheit bietet. Dass ich überlebe. Als Frau. Obwohl ich selbst stark genug dafür wäre. Ich möchte auch Frau sein dürfen. Weiblich sein dürfen. Emotional sein dürfen. Verletzlich sein dürfen. All das, was ich mir selbst nie zugestanden habe, weil ich nie gelernt habe, einem Mann zu vertrauen. Oder jemandem, der Macht über mich ausüben will.

Wenn ich liebe und geliebt werde, vertraue ich wieder. Liebe ist der Kit. Die Währung für den Deal Schutz, Kinder, Sicherheit. Der Mann braucht das Gefühl, der einzige zu sein um als Schützer und Versorger zu funktionieren. Die Frau das Gefühl, sicher zu sein, um die Kinder sorglos grosszuziehen. Das Prinzip beeinflusst all unsere Beziehungen. Auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen.      

Gibt es eine Lösung?

Im Krieg und in der Liebe werden ständig Grenzen verletzt. Sehe ich, wie sehr das Patriachat in der arabischen Welt immer noch demütigt und bevormundet, glaube ich fast daran, dass es Programm ist, Frauen klein zu halten. Sie sind der Beweis für die Macht des Mannes. Sie bestätigen ihm die Vorrangstellung vor anderen Männern. Vor Konkurrenz. Wollten wir uns aus Machtmissbrauch, Demütigung, Entmündigung befreien, dürften wir uns vor den Folgen nicht fürchten. Vor dem Alleinsein. Vor dem: Unsere biologische Rolle nicht mehr oder nicht zufriedenstellend zu erfüllen. Und vor dem Sterben… Das gilt übrigens für beide Geschlechter.

In der Liebe und im Krieg geht es um Macht. Wer einen gesellschaftlichen hohen Rang bekleidet, durfte und darf seine Gene weitergeben. Männer in dieser Rolle sind begehrt, garantieren sie doch unbewusst Sicherheit für die Frau. Auch wenn sie diese Rolle eigentlich gar nicht für alle ihre „Frauen“, deren Avancen sie dankbar annehmen, ausfüllen (Ausser die Scheichs, die mehrere Kamele für jede ihrer Frauen bezahlen können – hhh). Wir im Westen glauben, uns dieser Rollen enthoben zu haben. Haben wir das wirklich? Zeitweise schon. Ich, indem ich beide Rollen ausgefüllt habe. Für mich und meine Kinder. Unabhängig und frei. Und trotzdem hatte ich immer die Sehnsucht danach, mich anlehnen zu können. Frau sein zu dürfen. Sicher zu sein. Dieses uralte Programm!  

Heute wie damals wollen einzelne Männer beweisen, welche Gene es wert sind, weitergegeben zu werden. Wer hat den Grösseren? Es ist männliche Motivation. Ihre Daseinsberechtigung. Heute wie damals wollen Männer bestimmen, wer Kinder haben darf. Auf der persönlichen Ebene – gerade in den muslimisch geprägten Kulturen -, indem nur ihre eigenen Gene bei dieser einen Frau zählen dürfen. Auf gesellschaftlicher Ebene von machtvollen Männern, z. b. mit der Einführung der «Ein-Kind-Politik».  Heute: dass wir zu viele sind und die Weltbevölkerung geschrumpft werden muss. Welche Rasse soll überleben? Überlegungen wie diese gibt es tatsächlich. Diese Männer bestimmen über andere Männer. Über unsere Spezies. Männer bekämpfen sich immer noch. Nur der Kriegsschauplatz ändert sich zuweilen auf dieser Weltbühne.

Viele sagen, hätten Frauen die Macht, gäbe es keine Kriege mehr (wobei Männer diese sicherlich nicht freiwillig abgeben und auch nicht alle Frauen friedvoll sind. Aber wenigstens nicht so hormongesteuert…). Hätten wir dann eine noch grössere Überbevölkerung? Ist Überbevölkerung eine Gefahr? Ich denke, es würde sich von alleine regeln. Wenn nicht mehr genug zu essen da wäre, würde die Bevölkerung automatisch schrumpfen. Die Natur regelt vieles von selbst. Aber auch hier beweisen vor allem Männer, dass sie stärker sein können als die Natur. Quadratisch, praktisch, gut – leblose Gärten mit englischem Rasen und viereckigen Büschen werden vor allem von Männern gepflegt. Früher wurden dafür Hexen verbrannt. Und heute virtuelle, kontrollierbare Realitäten geschaffen. Gegen die Natur. Gegen das Wilde. Ungezügelte. Emotionale. Das Gebärende. Das Ur-Weibliche. Es muss bekämpft oder in Schach gehalten werden. Von jeher.

Mmmh. Es ist womöglich noch ein langer Weg bis dahin. Bis beide Geschlechter den anderen einfach als Mensch sehen. Mit all seinen Stärken und Schwächen. Mit dem jeweiligen Testosteron- oder Östrogen-Überschuss. Und den geschlechtsspezifischen und persönlichen Grenzen. Bis wir den anderen wertschätzen. Ohne Rollenerwartung. Einfach weil er oder sie so ist wie er oder sie ist. Aber… Solange es sexuelle Anziehungskraft gibt, möchten wir Kinder und unterliegen den alten Programmen der «besten Gene». Solange es Kinder gibt, benötigen sie den bestmöglichen Schutz. Emotionale Sicherheit und Überlebens-Sicherheit. Solange es Schutz für die Kinder braucht, benötigt der emotionale Versorger (naturbedingt die Mutter) Versorgung und Sicherheit. Und solange nicht die Gesellschaft diese Rolle adäquat und dauerhaft übernimmt, werden wir Frauen weiter in der ein oder anderen Weise im männlichen Spannungsfeld leben und auch der Auslöser dafür sein: Wer hat den Grösseren.

Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.

Und verlassen Frauen dieses Spannungsfeld: Wohin dann mit „den Grösseren“, wenn Kriege und andere Grenzverletzungen verhindert werden sollen? Die Frage stellt sich in unserer Gesellschaft eigentlich heute schon. So lange Männer keine andere ihnen passende Rolle im Familiengefüge finden – wohin? Mmmh. Vielleicht Frauen doch wieder auf die Venus und die Männer auf den Mars!… ?

Familie

Vielleicht würde es funktionieren, wenn es keine Ehe mehr gäbe. Wenn es nur Familien gäbe. Und jeder Vater und jede Mutter wäre immer Teil der Familie und immer gemeinsam für die Versorgung und die Kinder verantwortlich. In einer Gemeinschaft. Nicht der Staat. Es bräuchte dann nur eine äussere Instanz, wenn gravierende Grenzen verletzt werden und Kinder, Frauen, Männer beschützt werden müssten. Also eigentlich ein neues Wohnmodell. In kleineren Gruppen. Eigenverantwortlich. Respektvoll. Gemeinsam.

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