‹Narzisst›? Erwartung? Liebe?
Immer wieder lese ich auf Facebook mir vorgeschlagene Feeds zum Thema Narzissten. Interessant, dass Facebook bei mir (wohl durch Chats oder meine Notizen auf dem Handy etc.) erkannt hat, dass mein Freund tatsächlich unter diese heute so gerne proklamierte Gruppe fallen würde.
Ein Zitat:14:02 O E facebook S 4G+ Rl Rl 65%2 …Die Untreue, der Betrug und der Mangel an Empathie waren keine bloßen Fehler, sondern bewusste Handlungen, um deine Schwachstellen auszunutzen (Bem.: ich glaube nicht, dass dies bewusst getan wird. Und über Ausprägungen der Liebe lässt sich streiten.). Du hast keinen geliebten Menschen verloren – du bist einem giftigen Albtraum entkommen. Du hast dich aus einem Kreislauf des Missbrauchs befreit, und das erfordert unglaublichen Mut, Stärke und Widerstandsfähigkeit. Narzissten sind nicht zu echter Liebe fähig; sie ahmen sie nur nach, um zu bekommen, was sie wollen. Um zu heilen, musst du die Wahrheit akzeptieren: Du wurdest nicht geliebt, du wurdest benutzt. Du warst eine Quelle der Versorgung, ein Mittel zum Zweck und eine Schachfigur in einem manipulativen Spiel. Aber jetzt bist du frei, dich selbst neu zu entdecken, die wahre Liebe anzunehmen, wenn du ihr begegnest und ein Leben voller Sinn, Freude und Authentizität zu leben. Denn du verdienst wahre Liebe, echte Verbundenheit und eine gesunde Beziehung Du verdienst es, gesehen, gehört und verstanden zu werden. Du verdienst es, gesehen, respektiert und wertgeschätzt zu werden. Gib dich niemals mit weniger zufrieden. Du bist der Liebe würdig, und sie wird dich finden, wenn du es am Wenigsten erwartest. ( #Netzfund…
Was suggeriert dieser Text u.a.? Dass Menschen mit einem massiven Trauma einen anderen Menschen NUR ausnutzen und sich nur deshalb mit dem anderen abgeben. Sie erhoffen Heilung und finden in dem Menschen, der auf sie so stark reagiert, ihre Hoffnung bestätigt. Aber warum reagiert der andere (meist Frauen) so stark auf diesen Charme, das Umwerben, die Liebesbeteuerungen und -beweise, dass sie (oder er) der einzig Richtige für den anderen ist? Weil der andere ebenfalls ein Defizit hat. Endlich ankommen. Beide gehen in Resonanz zueinander – sehen sie doch beide im anderen die Hoffnung auf Erfüllung ihrer unterbewussten Erwartungen. Natürlich wird man enttäuscht. Dadurch werden solche Beziehungen meist toxisch. Und derjenige mit dem grösseren Trauma hat auch mehr zu verlieren. Also kämpft er (ich verallgemeinere hier mit der männlichen Form) mit seinen Mitteln um die Erfüllung, was sehr oft in Grenzverletzungen mündet. Den grössten Fehler, den die unter einem ‹Narzissten› Leidtragenden tun, ist ihm oder ihr helfen zu wollen. Oder weiter zu hoffen, dass der andere doch bitte wieder wie am Anfang seine Liebe beweist. Es ist wie eine Co-Abhängigkeit. Wenn aber erst einmal der Fokus auf der Verlustangst (gerade bei Eifersucht ist das der Trigger) liegt, kann keiner mehr so locker flockig zurück zum Anfang, auch wenn er es wollte. Der Spruch aus obigem Zitat: ‹Du verdienst es, gesehen, gehört und verstanden zu werden. Du verdienst es, gesehen, respektiert und wertgeschätzt zu werden. Gib dich niemals mit weniger zufrieden….› soll den Leser bestärken, ist aber m.E. nur so geschrieben, um dem Leser zu zeigen, wie ‹böse› der ‹Narzisst› ist, und was er alles nicht gibt oder geben kann (Bem.: Es ist niemals nur s/w). Der Text soll aufrütteln. Der Schreiber möchte wohl auch sich selbst bestärken. Zu Anfang wird der ‹Narzisst› es getan haben. Den Anderen sehen, respektieren, wertschätzen, verstehen. Zu Anfang wird auch der Andere es getan haben. Doch spätestens dann, wenn klar ist, dass der eine dem jeweils anderen diese Erwartungen nicht dauerhaft erfüllt, kippt es. Es ist mit das schwierigste Unterfangen, eine Beziehung mit stark traumatisierten Menschen zu führen. Es ist möglich, aber was diese von Natur aus niemals haben, ist Vertrauen. Auch nicht in sich. Den anderen, der sich zu Anfang so angesprochen gefühlt hat, zieht genau das jedoch an. Ein Spiegel des eigenen Selbst. Denn das was beiden fehlt, ist genügend Selbstliebe. Sie erwarten diese vom Gegenüber. Ständige Enttäuschungen sind das Ergebnis. Kein Mensch hält das auf Dauer aus. Es macht krank. Das einzige, was solche Beziehungen, die dann i.d.R. immer schlimmer werden, Gutes bringen, ist die Selbsterkenntnis und das Bewusstwerden, dass man sich vielleicht doch mehr liebt, als den anderen, und verdient hat, sich selbst zu schützen. Man kann nicht von einem Gegenüber erwarten, gehört, respektiert, wertgeschätzt und geliebt zu werden. Aber man kann es voraussetzen, um sich mit diesem Menschen abzugeben. Und wenn man dies von diesem Menschen oder auch in seinem Umfeld nicht (mehr) bekommt, ‹darf› man sich entscheiden zu gehen. Man darf aber auch bleiben, wenn man stark ist und sich selbst genügend liebt. Dann hat aber ein traumatisierter Mensch auch keine Macht durch Manipulation oder Kontrolle. Denn derjenige, der sich selbst genügt, versucht es dem anderen dann auch nicht mehr rechtzumachen, um sein eigenes Defizit zu befüllen. Es ist dann schlichtweg nicht (mehr) da.
Wie aber nun erkennen, wer von beiden der Traumatisiertere ist? Nun, i. d. R. der, der weniger oder gar nicht empathisch ist. Dieser ist nur damit beschäftigt, alles und jeden um sich herum, auf die Heilung seiner Wunden/Narben zu beziehen. Er kann den Anderen nicht wirklich sehen. Er kann vielleicht Interesse vorgeben. Aber wenn man wirklich hinschaut und -hört (und auch ehrlich genug zu sich selbst ist und nicht nur interpretiert und hört, was man hören will), erkennt man es sehr schnell. Wie davon Abstand nehmen und selbst nicht mehr die eigenen Wunden durch den anderen geleckt bekommen wollen? (Z. B. Wiedergutmachung erwarten?) Erstens herausfinden, was dir genau vom Anderen fehlt. Schreiben. Merken, wann man nicht bei sich ist, sondern den Fokus ständig auf den anderen gerichtet hat. Rituale zur Erdung machen. Zur Zentrierung. Und dann in Ruhe entscheiden, ob diese Beziehung dir in der jetzigen Form wirklich guttut.
Ich selbst bin bei einer ‹Narzisstin› aufgewachsen (damals gab es den Ausdruck noch nicht). Ich habe früh gelernt, ihre Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit, Bestätigung und Rücksichtnahme zu spüren. Ich kann ihre Bedürfnisse auch heute noch spüren und perfekt bedienen, wenn ich es will (ich entscheide selbst – aber meistens dafür. Es gibt mir ein gutes Gefühl. Ich erwarte nichts von ihr, ausser, dass sie anständig mit mir umgeht, was sie auch tut, wenn ich nur kurz bei ihr bin.) Diese Prägung hat mich unbewusst immer wieder ähnliche Typen in Partnerschaften finden lassen. Insgesamt 4😅. Ich habe jedes Mal ein Revival kreiert. Bis ich mir selbst genug wert wurde. Bis ich mein eigenes Defizit gelöst habe und den anderen so gesehen und erkannt habe, wie er ist – mit all seinen Sonnen- und Schattenseiten. Ich trage die Liebe in mir. Auch zu meiner Mutter, zu Uwe, Peter, Ayoub und Ash. Und vor allem zu mir – zu MEINEN Sonnen-und Schattenseiten!