Muss ich gehen?
Muss ich mein Glück opfern?
Würde man nur im Moment leben, und sähe man die eigene Zukunft nicht (bzw. das, was wir glauben oder unsere Ängste uns suggerieren), könnten wir das geniessen, was wir haben. Dann würde ich sehen, dass nicht nur ich jetzt gut von meinem Geld leben kann, sondern auch mein «Mann» und die Tiere.
Aber, ich kann diese menschliche Eigenschaft, für mein eigenes Überleben zu kämpfen, nicht abstellen. Ich kann zwar meine Ängste analysieren und schauen, ob sie angebracht sind. Aber je mehr ich das tue, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass zwar Verlustängste dazu da sind, Verbindungen und Liebe zu garantieren. Aber diese Verbindungen, die Liebe und das Hochgefühl nicht mehr ausreichen, um mir meine Zukunftsangst zu nehmen. Die Sicherung meines Überlebens wird wichtiger, je mehr die Gefühle abnehmen.
Und mein Überleben kann ich nur noch damit garantieren, dass ich meine Ersparnisse (die die noch übrig sind) zusammenhalte und mir langsam aber sicher einen Verdienst suche, für den ich dann auch meine Zeit opfern muss. Zeit, die ich im Moment in den Haushalt und in die Versorgung der Tiere stecke. Ich muss vielleicht gehen, um wieder wegsehen zu können.
Wenn ich genügend Geld hätte oder mir jemand anderes mein Überleben garantieren könnte, dann wäre ich wahrscheinlich sehr zufrieden. Mit den Verbindungen und der Liebe und dem ab und zu noch aufflammenden Hochgefühl. Aber ich kann von Luft und Liebe allein nicht leben.
Wie machen es andere?
Der Nehmende hat sicher mehr Verlustängste als Zukunftsängste. Er lebt im Moment. Er kann. Und wenn das Fundament ins Wanken gerät, poppt die Verlustangst auf. Dann wird alles getan, damit der Boden seiner Existenz wieder stabil wird.
Ich selbst war mit 56 Jahren von jeglichen Dauer-Verpflichtungen befreit. Ich kaufte mir einen Camper und suchte mir ein Umfeld, in dem ich mich wohl fühlte und bleiben wollte. Ich war unabhängig. Ich brauchte nicht viel. Und ich begegnete einem unabhängigen Mann, der nicht viel brauchte. Der frei war in seiner Art. Er war Meister im «Moment-leben». Genauso jemanden suchte ich. Brauchte ich. Ich fand mein Glück. Bis ich eines Tages aufwachte und feststellte, dass ich wieder zu einer Gebenden geworden war. Mit Zukunftsangst.
Freiheit ist nicht, keine Verpflichtungen mehr einzugehen. Freiheit ist, sich die Verpflichtungen auswählen zu können.
Muss ich nun mein kleines Glück opfern, um meine Zukunft zu sichern?

Die Unfähigkeit, Unterstützung von anderen anzunehmen ist eine Traumareaktion
Zitat: – Jamila White, @inspiredjamila – Gefunden auf Facebook
Coyote Phoenix
Deine „Ich brauche niemanden, ich mache alles allein“-Einstellung ist eine Überlebenstaktik. Und du hast sie gebraucht, um dein Herz vor Missbrauch, Vernachlässigung, Verrat und Enttäuschung durch diejenigen zu schützen, die nicht für dich da sein konnten oder wollten.
Von dem Elternteil, der abwesend war oder dich absichtlich verlassen hat, oder von dem Elternteil, der nie zu Hause war, weil er drei Jobs hatte, um dich zu ernähren und dir ein Dach über dem Kopf zu bieten.
Von den Liebhabern, die dir sexuelle Intimität boten, aber nie einen sicheren Hafen.
Von den Freundschaften und der Familie, die IMMER mehr von dir wollten, als sie dir gaben.
Von all den Situationen, in denen dir jemand gesagt hat: „Wir stehen das gemeinsam durch“ oder „Ich bin für dich da“, und dich dann verlassen haben, sodass du die Scherben aufsammeln musstest, wenn es ernst wurde, und du deinen Teil und auch ihren Teil bewältigen musstest.
Von all den Lügen und all dem Verrat.
Du hast auf deinem Weg gelernt, dass du Menschen einfach nicht wirklich vertrauen kannst. Oder dass du Menschen vertrauen kannst, aber nur bis zu einem gewissen Punkt.
Extreme Unabhängigkeit IST. EIN. VERTRAUENSPROBLEM.
Du hast gelernt: Wenn ich mich nicht in eine Situation begebe, in denen ich mich auf jemanden verlassen muss, werde ich nicht enttäuscht, wenn er nicht für mich da ist oder wenn er den Erwartungen nicht gerecht wird … denn er wird IMMER irgendwann den Erwartungen nicht gerecht werden, oder?
Möglicherweise wurde dir diese Schutzstrategie sogar von Generationen von Vorfahren, die vor dir verletzt wurden, unbewusst vermittelt. Extreme Unabhängigkeit ist ein Präventivschlag gegen Herzschmerz.
Also vertraust du niemandem.
Und du traust auch dir selbst nicht, wenn es darum geht, Menschen auszuwählen.
Vertrauen bedeutet Hoffnung, Vertrauen bedeutet Verletzlichkeit.
„Nie wieder“, schwörst du dir. Bewusst oder unbewusst.
Aber egal, wie sehr du dir selbst einredest, dass du schon immer so unabhängig sein wolltest – in Wahrheit ist es dein verwundetes, vernarbtes, gebrochenes Herz hinter einer schützenden Mauer.
Undurchdringlich. Nichts dringt ein. Keine Verletzung dringt ein. Aber auch keine Liebe.
Festungen und Rüstungen sind für diejenigen, die im Kampf stehen oder glauben, dass der Kampf bevorsteht.
Deine Mauer ist eine Reaktion auf ein Trauma.
Die gute Nachricht ist, dass ein Trauma, das anerkannt wird, auch ein Trauma ist, das geheilt werden kann.
Du hast es verdient, unterstützt zu werden.
Du verdienst eine echte Partnerschaft.
Du verdienst Liebe.
Du bist es wert, dass man dein Herz in den Händen hält.
Du bist es wert, verehrt zu werden.
Du bist es wert, geschätzt zu werden.
Du hast es verdient, dass jemand sagt: „Ruh dich aus. Ich mache das schon.“ Und dieses Versprechen auch tatsächlich hält.
Du bist es wert, zu empfangen.
Du bist es wert.
Du musst es dir nicht verdienen.
Du musst es nicht beweisen.
Du musst nicht darum feilschen.
Du musst nicht darum betteln.
Du bist würdig.
DU BIST ES WERT.
Einfach weil du existierst.
Dieser Text ist wie für mich geschrieben. Ich identifiziere mich damit.
Auch wenn ich in der jetzigen Beziehung wieder bereit war mich einzulassen. Auch wenn ich wieder bereit war, Liebe zu empfangen. Aber ich habe auch im Laufe der Beziehung meine Erwartungen immer mehr reduziert. In Bezug auf Zuverlässigkeit. Ehrlichkeit. Respekt. Habe ich zu viel erwartet? Muss ich nicht tolerant und verständnisvoll sein? Oder fühle ich mich nicht wert, jemanden zu finden, der wirklich für mich da sein will und mich nicht ausnutzt? Habe ich resigniert und nehme lieber den Spatzen in der Hand als die Taube auf dem Dach?
Ich weiss, dass ich vertrauen muss. Ich weiss auch, dass ich in meinen Weg vertrauen kann. Vielleicht ist die momentane Situation einfach nur eine Lektion. Um mir selbst wieder Vertrauen zu schenken. Wert zu geben. Es zu spüren. Vielleicht ist es die grosse Liebe die ewig hält.
Aber egal, was es ist. Ich muss nicht die Gebende sein, wenn das Gleichgewicht nicht stimmt. Ich muss auch nicht die Traumata meines Gegenübers lösen und mich für sie opfern. Ich muss nicht die Gebende sein, wenn ich es nicht möchte.
Auch wenn meine Zukunftsangst ebenfalls eine Traumareaktion ist. Ich habe kein Vertrauen, dass ich schon irgendwie versorgt sein werde. Meine Unabhängigkeit und meine harte Arbeit sind meine Garanten.
Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott
Das ist der Knackpunkt, weswegen ich immer noch hier bin. Ich spüre, dass ich, anstatt wegzulaufen und neu anzufangen, so wie ich es in der Vergangenheit stets getan habe, zuerst meine Ängste loslassen muss. Ich muss durch diese Erfahrung durch. Und damit lerne ich auch wieder Vertrauen in mich. In meinen Weg. Ob jetzt mit oder ohne meinen Mann. Ob mit oder ohne einen Job. Es wird sich ergeben. Inshallah.

